Melle, Thomas by Sickster

Melle, Thomas by Sickster

Autor:Sickster
Die sprache: de
Format: mobi
veröffentlicht: 2012-04-28T21:15:52+00:00


«Na ja, der alte Witz.»

«Welcher?»

«Liegt ein Mädchen nackt und ohnmächtig vorm Crash. Kommst du vorbei, hebst sie hoch, schaust ihr ins Gesicht, lässt sie wieder fallen und sagst: ‹Nee, die kenn ich nicht.› Kommt Leif vorbei, hebt sie hoch, schaut ihr ins Gesicht, lässt sie wieder fallen und sagt: ‹Nee, die kenn ich auch nicht.› Kommt Erik vorbei, spreizt ihr die Beine, schaut kurz rein und sagt –»

«Nee, die ist nicht aus Bonn.»

«Genau», kicherte Jonna und strich sich eine schwarze Strähne aus der Stirn.

«Hast du eigentlich auch was mit dem gehabt? Irgendwann?»

«Nein. Gott bewahre! Ich bin doch ein braves Mädchen.»

Sie blickte aus dem Fenster des Cafés, eine Sorgenfalte zwischen den Augenbrauen. Eine Frau mit Kinderwagen ging vorbei. Ohne den Blick vom Wagen zu lassen, sagte sie: «Ist das nicht seltsam, wie viele Paare erst nach der Schule zusammengekommen sind? Da hat man Jahre Zeit, und erst wenn alles vorbei ist, stürzen sie sich aufeinander wie bescheuert. Am besten noch in der Abi-Zeit, kurz vor Torschluss. Als hätten sie während der Schulzeit Ladehemmung gehabt.»

«Die Schule trägt eben nicht zur Entfaltung der Persönlichkeit bei. Vielmehr hemmt sie selbige», bemerkte Magnus, als würde er zitieren.

«Und kommen jetzt nicht voneinander los», vervollständigte Jonna ihren Gedanken. «Nein, es liegt nicht an der Schule an sich, glaube ich, es liegt eher an dieser Nähe. Ständig kauert man aufeinander herum, beobachtet sich und verkrustet.»

«Auf der Schule ist es wie auf dem Dorf. Alle total gehemmt und beschränkt.»

«Ja. Du und Annabelle wurden immer als Ausnahmen angesehen.»

«Kann sein.»

«Obwohl ihr gar nicht zusammengepasst habt, wie ich finde.»

«Ich habe sie ja gehasst vorher. Nein, stimmt nicht. Ich –»

«Kitschig, oder? Wenn Hass in Liebe umschlägt …»

«Ist längst vorbei. Und gehemmt bin ich jetzt auch wieder. Wie früher. Alles beim Alten. Wie der kleine Junge, dem seine Mutter das verhasste Pausenbrot in die Schule nachbringt. Kennst du doch noch, den Kleinen, oder?»

«Ihr ist übrigens nichts Besseres eingefallen, als dich zu verdächtigen.»

«Wem? Bella?», hustete Magnus. «Weshalb denn verdächtigen? Ich meine: wessen?»

«Dass du für diese anonymen Anrufe verantwortlich bist.»

«Ich? So ein Quatsch.» In Magnus schäumte eine stille, lähmende Wut hoch, wie neuerdings immer, wenn er etwas Neues über Annabelle erfuhr.

«Absurd. Ich habe sie natürlich nicht angerufen.»

«Ist klar.»

«Hallo? Ein helles Hefe, bitte.»

«Jetzt schon?» Jonna macht ihren spitzen Mund. «Na gut. Für mich auch, bitte. Und einen Korn.»

«Einen Korn? Hast du noch was zu beichten, Mädchen?»

Jonna lächelte. «Vielleicht?»

«O weh. Für mich bitte einen Wodka dazu. Und einen Korn. Danke.»

«Was ist denn das für ein Job, den du jetzt machst? Tankstellenzeitung hört sich so – ölig an», wechselte Jonna das Thema.

«Corporate Publishing nennt man das. Auf Deutsch: Worthurerei. So unternehmensinterne Zeitschriften, die an die Pächter geschickt werden, die aber nicht Pächter, sondern Partner genannt werden sollen.»

«Und du schreibst also über Getränke?»

«Ja. Unter anderem.»

«Warum so gereizt?»

Sein schlechtes Gewissen paarte sich immer mit einer Art trotziger Slacker-Arroganz, wenn Magnus über berufliche Dinge reden sollte. Natürlich dachte er auch irgendwie an die Zukunft, natürlich hatte auch er irgendetwas Richtiges vor, zum Beispiel, endlich seinen Film in Angriff zu nehmen, den er



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